Samstag, 24. Januar 2009
 
Biotreibstoffe in Lateinamerika im Aufwind PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Alejo Álvez   
Freitag, 27. April 2007

Die massive Förderung der Produktion von Biobrennstoffen durch die Vereinigten Staaten, Brasilien und multinationale Holdings schürt in weiten Teilen Lateinamerikas und der Karibik die Angst, dass eine ausschließliche Nutzung von Ölfrüchten und Getreide für die massive Produktion von Biobrennstoffen zu Lasten der Lebensmittelversorgung und der traditionellen Ernährung der Bevölkerung geht.

Der Treibhauseffekt, der auf den durch die Verbrennung von Erdöl entstehenden Gasausstoß zurückzuführen ist, sowie die absehbare Erschöpfung der Vorräte, haben die Weltmächte und die transnationalen Konzerne dazu veranlasst, nach alternativen Energien zu suchen. Als Verbündeter wurde Brasilien, weltgrößter Hersteller von Biobrennstoffen, gewonnen.

Das erste Alarmsignal entsandte Mexiko, wo der Mais, der wichtigste Grundstoff des Hauptnahrungsmittels Tortilla, in wenigen Tagen um 70 Prozent angestiegen ist: Von Ende 2006 bis Mitte Januar 2007 kletterte der Kilopreis von 0,73 US-$ auf 1,20 US-$. Grund dafür war der abrupte Preisanstieg von Mais in den Vereinigten Staaten. Die erhöhte Nachfrage der Ethanol-Hersteller hatte zu einer Abnahme des für den Export bestimmten Anteils der Maisernte geführt.

Ab 2010 sind die Vereinigten Staaten, die EU-Länder sowie Brasilien und Argentinien gesetzlich verpflichtet, je fünf Prozent ihres Benzin- und Dieselverbrauchs über die Verwendung von Bioethanol und Biodiesel zu decken. Bioethanol wird durch die Destillation von Mais oder Zuckerrohr gewonnen, Biodiesel wird auf der Grundlage von Ölpflanzen, vornehmlich Soja, Sonnenblumen, Hirse und Palmen, erzeugt. „Die Armen dieser Welt sind immer noch dazu verdammt, die reichen Länder mit ihren multinationalen Konzernen mit Rohstoffen zu versorgen. Jetzt sind es ihre Biobrennstoff-Fabriken. Sie zwingen unsere Regierungen, große Flächen für den Anbau von Mais, Sonnenblumen, Zuckerrohr oder Palmen zur Verfügung zu stellen. Und es ist ihnen egal, ob es sich dabei um Weideland oder um Wälder handelt und ob es die  Ernährungssouveränität der Bevölkerung gefährdet“, erklärt Gerardo Sánchez, Koordinator des Ständigen Agrarkongresses (Congreso Permanente Agrario) in Mexiko.
 
Andere, wie der argentinische Diplomlandwirt Héctor Huergo, stehen der Biobrennstoff- produktion weitaus positiver gegenüber. „Aufgrund mangelnder Rentabilität drohte der Mais vom Markt zu verschwinden. Dem Beginn der Ära der Biobrennstoffe haben die Rohstofferzeuger eine erhebliche Preissteigerung ihrer Produkte zu verdanken. Durch die Ethanolproduktion ist der Fortbestand des Maisanbaus gesichert“, so Huergo. Der Journalist der argentinischen Zeitung Clarín wird von den Gegnern genetisch veränderter Produkte auch hin und wieder als „Sprecher von Monsato“ bezeichnet - in Anspielung auf den gleichnamigen multinational operierenden Genfood-Hersteller.
 
Die Debatte spitzte sich mit dem Besuch des US-Präsidenten George W. Bush in Brasilien, Uruguay, Kolumbien, Guatemala und Mexiko im März dieses Jahres zu. Das Thema Bioenergien hatte bei dieser Reise im Vordergrund gestanden. Bush einigte sich mit dem brasilianischen Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva auf die gemeinsame Errichtung von Ethanolproduktionsstätten in Mittelamerika sowie die Lizenzierung der brasilianischen Technologie für Bolivien, Paraguay und Uruguay. Bush erreichte auch, dass in Argentinien das Gesetz 26.093 in Kraft tritt. Das Gesetz sieht für Betreiber von Werken für die Produktion von Biobrennstoffen großzügige Zugeständnisse in Punkto Steuererleichterungen sowie vorgezogene Rückzahlung der Mehrwertsteuer vor.
 
Trotz der Proteste und Warnungen, dass die Verwendung von Biokraftstoffen den Treibhauseffekt nicht verringere und nur die Armut und den Hunger in der Welt verschlimmere, da die Bodennutzung statt der Ernährung von Menschen nun der Rohstoffproduktion unterworfen werde, wurde der Vorschlag von der Mehrheit der Regierungen in der Region „gekauft“.
 
Der uruguayische Präsident Tabaré Vázquez erwägt die Möglichkeit eine ehemalige Ölfabrik für die Biodieselproduktion umzurüsten. Das staatliche Energieunternehmen ANCAP (Administración Nacional de Combustibles, Alcohol y Pórtland), das mit der Herstellung von Brennstoffen, Alkohol und Zement betraut ist, erklärte, dass es 40 Millionen US-Dollar in die Errichtung eines Biokraftstoffwerks investieren werde. 100.000 Hektar Land müssen dann für die Anpflanzung von Sonnenblumen, Hirse, Zuckerrohr und Zuckerrüben bereitgestellt werden. Der kolumbianische Staatsbetrieb ECOPETROL (Empresa Colombiana de Petróleos) stellte 23 Millionen US-Dollar für die Errichtung eines Biodieselwerks in der Umgebung von Barrancabermeja, 300 km nördlich von Bogotá zur Verfügung. Ab 2008 wird die jährliche Palmölproduktion voraussichtlich auf etwa 100.000 TM ansteigen.
 
 „Dem gestiegenen Energiebedarf im Norden steht heute die Ernährungssicherheit im Süden gegenüber“, erklärt der Spanier David Llistar vom Netzwerk Observatorio de la Deuda en la Globalización, einem Gremium von Globalisierungsgegnern, gegenüber der Tageszeitung Clarín in Buenos Aires. „Unser Recht auf Klimaanlage oder Luxusautos konterkariert das Recht der MexikanerInnen, sagen wir, sich von Maistortillas zu ernähren“.

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